P-Werk, Blieskastel (D)
Über die Pfingsten dieses Jahres war für das Wohl des geneigten Festival-Besuchers bestens gesorgt. Der grösste Event fand unbestritten bei Nürnberg statt, wo Rock am Ring und Rock im Park ihre Zelte aufgeschlagen haben, und man mit Bands wie Iron Maiden, Metallica oder den Deftones ganz schön dicke Fische an Land gezogen hat.
Im weiter westlich gelegenen Saarland fand derweil auch ein Festival statt, wenn auch in wesentlich kleinerem Rahmen: das SUMMER SLAM. Ein Ereignis, das sich niemand entgehen lassen durfte, der unter Screamo nicht Auswüchse wie The Used versteht oder die Refrains von Linkin Park.
Um 17 Uhr des 6. Juni öffneten sich die Tore des P-Werk, eine still gelegte Fabrik-Halle, das als Räumlichkeit für das Festival fungierte. Die Eintrittspreise von 18 € für 2 Tage waren mehr als moderat (dafür dass ich um einen Platz auf der Gästliste erbat, machte mir nachher auch schon ein schlechtes Gewissen). Die Vegan-Döner vom Radix kosteten schlappe 2 €, Sprudel 1 €, die Tonträger (und damit meine ich nicht die 7inches, sondern ganze Alben) wurden nur selten für über 10 € verkauft – das price-dropping sollte so einigen Konzertveranstaltern, Plattenverkäufern und Dönerbuden die Schamröte ins Gesicht treiben…
Nun aber zu den musikalischen Darbietungen: die erste Band haben wir offenbar verpasst. Hierbei handelte es sich um KLEINLAUT, die ihren Sound als „intelligent & emotional punk rock“ definieren. Hört sich gut an, hab ich aber leider verpasst. Life goes on und die nächsten 16 Bands erst recht.
Die nächste Band: KILLED BY MALAISE. Laut HP ihre letzte Show, also alleine schon deswegen Pflichttermin. Und die Süd-Deutschen haben nicht enttäuscht, ein emotionen-geladenes Set, das teilweise fast über sich hinauswuchs. Wer sie damals vor einem Jahr im Ego in Zürich gesehen haben soll, braucht sich selber nicht ohrzufeigen. Nicht nur der tollen Darbietung sondern auch der brütenden Hitze wegen dislozierten die Leute an Fleckchen, wo es nicht ganz so brütend heiss zu sein scheinte.
Da bildeten auch wir keine Ausnahme, so haben wir es uns im Biergarten gemütlich gemacht und haben dabei die zweite Band verpasst, nämlich KATZENSTREIK. Der etwas sonderbare Name versprach wie die Opener von Kleinlaut emotionalen Punk-Rock, nicht mehr und nicht weniger. Dass sie uns durch die Lappen gingen, war zumindest für mich keinem Weltuntergang.
Bei der nächsten Haltestation fuhr man immer noch etwas auf derselben Schiene des verbotenen Dreibuchstabe-Wörtchen. Doch mit LIGHTS AT AMBER trat eine Band auf, die jetzt schon für eine der grossen Überraschungen sorgten. Die Band hätte genauso gut aus der Schmiede von Defiance Records stammen können. Stimmiger Indie-Rock, irgendwo auf einer Linie mit Konsorten wie Ambrose, Three Minute Poetry oder One Man And His Droid. Das Publikum machte gut mit, johlte und applaudierte grosszügig. Und das auch völlig zu Recht.
Nach der obligaten Pause von 20 bis 30 Minuten war die erste ausländische Band an der Reihe. LOS ASESINOS DE LA SUPERFICIALIDAD sind jedoch erst kurzfristig ins Line-Up gerutscht, obschon es eigentlich keinen Ersatz für eine Band an diesem Tag zu finden galt. Wie dem auch sei, daran gestört hat sich niemand. Allerhöchstens die etwas ausufernden Kommentare des Frontmanns, welcher sich politisch äusserst engagiert zeigt, waren vielleicht etwas des Guten zu viel. Musikalisch boten die schon etwas älteren Holländer Screamo mit slightem Punk Einschlag.
Womit wir dann auch bei der Halbzeit angelangt wären. Tagessieger waren bisher Killed By Malaise, doch jetzt drohte der Thron zu wackeln, denn die Reihe war an den vielerorts geschätzten ANGSTZUSTAND. Was Unwissende hinter dem Bandnamen vermuten (irgendso eine Deutsch-Punk Band, ne), driftet weit ab von dem, was Angstzustand wirklich zu bieten haben. Die guten alten Uranus hätten sich an alte Zeit erinnert gefühlt, wenn sie diese jungen Herren aus Deutschland hörten. Auf Platte. Live sah ich mich enttäuscht, der Sound war matschig und der Gesang schlecht hörbar. Meine Begleiter sahen es in etwa gleich, und die Stimmung war etwas gedrückt, waren Angstzustand doch mitunter ein Grund, warum man den weiten Weg nach Blieskastel auf sich genommen hat.
Schnell aufgeheitert war man dann aber doch, die nächste Band hiess LOUIS CYPHRE und sind wohl die Slipknot des Screamos. Schlechter Scherz, aber LC tragend auch Masken und gehen auf der Bühne etwa gleich krank (wenn auch in anderer Art und Weise) ab. Die lustige Performance täuschte dann auch über den etwas zu sehr chaotischen Screamo der Deutschen hinweg. Chaos muss sein, das ist klar, aber hier hat man die Bedeutung des Chaoscore doch irgendwie zu wörtlich genommen. Einer stattlichen Menge der Auditio gefiel das Dargebotene aber, und es bildete sich schon ein ordentlicher Pit mit Gummi-Puppe eines Wrestlers, der nicht Hulk Hogan war (der so ziemlich einzige, den ich davon noch kenne).
OFF MINOR, die eigentlich am nächsten Tag in der Schweiz hätten auftreten sollen (sie waren dann seltsamerweise aber immer noch auf dem Konzertgelände), boten den musikalisch wohl anspruchsvollsten Ausflug. Mit Leuten von den Screamo-Legends of Saetia bolzte der 3er wie ein Scheunendrescher, bog dann aber immer wieder in jazzige Gefilde ab. Und das waren rein jazzige, also nix Jazz-Core, oder was weiss ich. Ohne Frage mitreissend aber auf Dauer auch anstrengend. Vielleicht hätte man zuerst ihre Platte hören müssen, damit man sich nicht ganz so überrumpelt fühlen würde. Mit Sicherheit eine Ausnahmeband, deren Mitglieder schon seit eh und je für bahnbrechende Arbeit sorgten.
Nach kurzem Auslüften trat der Hauptgrund auf, warum ich überhaupt da war: LACK. Danish dynamite, bekannt durch Shows, die nach 15 Minuten das Konzert abbrechen müssen, weil irgendein Instrument kaputt geht. Zum Glück war dies bei diesem Auftritt nicht der Fall. Ob es vielleicht an den neuen Songs lag? Bis auf 1 Ausnahme, die frenetisch abgefeiert wurde, spielten die Dänen ausschliesslich neues Material, das merklich ruhiger ausfällt als Vergangenes. Die Energie ist aber immer noch da, nur wird sie ohrenscheinlich jetzt in Form von Prog-Rock-Elemten gebündelt, was stellenweise an so tolle Bands wie Cave In oder FORSTELLA FORD erinnerte.
Und diese machten dann auch den Abschluss des heutigen Abends. Mittlerweile war schon 3 Uhr, das Shirte klebte immer noch am Rücken, aber die Leute schienen nicht müde zu sein. Einen Mosh-Pit gab es bei den liebenswert genannten FoFo nicht, es wäre auch unangebracht gewesen, das Set der Band wurde aber generös goutiert. Es war auch absolut fantastisch! Was auf Platte eher unscheinbar daherkommt, war live die Offenbarung schlechthin. Diese Kraft, diese wunderschönen melodischen Parts… unglaublich! Ich freu mich schon wie ein Schneekönig auf Nürtingen in 4 Wochen, wo sie wieder auftreten werden. Bis dahin werden sie mich auch auf Konserve überzeugt haben, immerhin dreht sich seither nichts anderes auf meinem Schallplattenspieler als die neue LP von FoFo.
Verschwitzt aber glücklich ging man zu Bett und schlief bis man wieder den Eintrittsstempel fassen konnte. Nun war schon Tag 2, das Line-Up betrug 7 Bands, und es galt zu hoffen, dass irgendetwas einen über die Enttäuschung darüber, dass die grossen SINCE BY MAN abgesagt haben, hinwegsieht.
Den ersten Act haben wir wieder standardmässig verpasst: (THE) THAN SADET, die selber aus dem Saarland kommen. Zum Download fand ich nichts von der Band, auch sonst scheinen irgendwie sämtlich Leute, die ich kannte, die Saarländer vergessen zu haben.
Keinen langen Anfahrtsweg hatten auch DANSE MACABRE. Der Fünfer aus Trier scheint ziemlich viel Orchid und derlei im Proberaum gehört zu haben. Dass sie dabei nicht an die Götter des Power-Violence gekommen sind, ist klar, aber Potential, in diese Liga aufzusteigen, sehe ich durchaus. Das Mikrophon (in Gestalt eines Telefonhörers) des Sängers hatte im Grunde genommen gar keinen Nutzen – na, und wenn das kein Argument ist…
Bei den jungen Männern, die als nächste aufgetreten sind, war Unklarheit, um wen es sich hier eigentlich drehen würde. Offenbar ist der Zeitplan etwas durcheinander geraten, denn eigentlich hätten jetzt Francis Brady spielen müssen. Hatten sie aber aufgrund einer kurzen Verspätung nicht, weshalb ZANN ihren Part übernahmen. Die Band ist spätestens seit dem Split mit Funeral Diner weltweit bekannt. Gute Hausmannskost, mein Fazit. Ich verdrückte mich dann auch mal zu den Distros, wo ich mich schon beinahe im Himmel wähnte. Als ich zurück war, machte dann schon die nächste Band ihre Koffer auf. Welche waren –
FRANCIS BRADY. Der 7er aus Essen und Umgebung war das Inferno schlechthin. Mit 2 Screamerinnen (was ein dämliches Wort…) und einem Shouter verwandelten sie das P-Werk in ein Tollhaus und sorgten für den bisherigen Höhepunkt. Schreiblast nennen sie das, was sie machen, und ich denke, das trifft es ganz gut. Merkt Euch den Namen, denn sie werden demnächst eine 7inch veröffentlichen. Und ich stehe wohl nicht alleine mit der Meinung da, wenn ich sage, dass die alles wegblasen wird.
Unter meine persönlichen Top 5 hat es dann auch die nächste Gruppe geschafft. ZEROID aus Hamburg reihen sich in die Gilde solcher Gruppen wie His Hero Is Gone oder From Ashes Rise. Musik mit Eiern. Blechwüsten. Eigentlich keine Mucke für diese Jahreszeit, aber gibt es etwas Schlimmeres als Sommermusik? Eben. Lieber Leser, auf zeroid.org gibt es eine satte Anzahl von MP3-Tracks zum Download. Die gehören angetestet.
Tja, auch hier gab es wieder viel Beifall. Aber viele konnten jetzt kaum noch den Auftritt von PHOBIA erwarten. Grindcore aus (man möge es kaum glauben) Sunshine State Kalifornien, es reihten sich jetzt vor allem Leute mit langen Haaren und Camo-Hosen in die vordersten Reihe ein. Der Pit war jetzt so gross und vor allem so durchmischt wie noch nie. Sah das Publikum bei den vergangenen Bands ziemlich homogen aus, tanzte jetzt das Emo-Kid mit dem Metaller zusammen. Ein friedliches Beieinander, wobei immer wieder die kleineren und leichten Konzertbesucher über die Köpfe geleitet wurden. Die Männer mit Bärten und schulterlangen Haaren forderten eine Zugabe, eine wurde ihnen gewährt. Immerhin musste es ja irgendwie weitergehen.
Und zwar mit der zweiten Band aus Holland, den Kommunisten-Punks von SEEIN’ RED (ex-Lärm – wenn die jemand kennt). Es war zu erwarten, dass die Audienz vollgequaselt wird, musikalisch war es nicht mehr als okay. Man genehmigte sich eine Pause und sparte die Energie für die nächste und letzte Combo.
Welche MARA’AKATE wären. Keine Ahnung, ob die Band in Deutschland so gross ist, oder ob es daran liegt, dass es das Ende des Festivals war – die Hölle war wieder los, das Publikum stürzte sich zu dem chaotischen HC der Amerikaner auf die Bühne, legten sich springend aufeinander, warfen Pappteller durch die Gegend und betrieb Stagediving in extremo. So liessen sich auch Bassist und Sänger durch die johlende Menge gleiten. Nach Abschluss des Sets rissen dann auch einige das Mikro an sich und sangen „Fight for your right“ von den Beastie Boys.
Das hörte ich von draussen. Die Zugabe liess ich mir entgehen, die Dusche rufte und am nächsten Tag lag noch ein weiter Weg vor mir - den ich auch gerne nächstes Jahr wieder auf mich nehmen werde. Und, ach ja: Wer ist Since by man?
By
Jonas
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