Label: CD (Sticksister Rec.)
Um es vorweg zu nehmen: Nichts anderes als ein Meisterwerk hab ich von Favez erwartet und – manchmal werden Erwartungen erfüllt – nicht anderes als ein Meisterwerk liefern die Lausanner mit „Bellefontaine Avenue“ ab! Aber der Reihe nach: Mit dem letztjährigen Album „(From Lausanne, Switzerland)“ und ihrer umwerfenden Live-Präsenz hat mich die Band überzeugt, dass sie in Sachen Power-Indie-Rock einfach unschlagbar ist. Nur eineinhalb Jahre nach dem letzten Werk steht nun mit „Bellefontaine Avenue“ das dritte Rock-Album von Favez in den Läden (beim Debut „A Sad Ride On The Line Again“ handelte es sich um ein reines Akustik-Album, die zuvor entstandenen Alben wurden unter dem Namen Favez Disciples veröffentlicht) und knüpft nahtlos an die Klasse der Vorgänger an, ohne allerdings diese zu kopieren. „Some People say it sounds like a Best Of Favez, but with only new Songs...“ Treffender als diese von Sänger Chris Wicky im offiziellen CD-Promo-Text zitierten „some people” kann man die neue Platte kaum beschreiben…
Benannt ist das Album nach dem Bellefontaine Studio, das Bassist Yvan gehört und in dem das Album in Eigenregie entstanden ist. Ursprünglich war geplant, dass Ed Rose (der u.a. Appleseed Cast, Ultimate Fakebook und Reggie & The Full Effect produzierte) das Ergebnis der „Home-Recording“-Sessions mixt. Rose konnte dann aber aus persönlichen Gründen seinen Verpflichtungen nicht nach kommen, so dass letztlich auch der Mix in Lausanne vorgenommen wurde.
Das Resultat kann sich hören lassen: „Bellefontaine...“ ist ein herausragend produziertes Rock-Album mit vielschichtigen Gitarren, einem extrem druckvollen Schlagzeug und einem treibenden Bass. Die Zeit, die der Band dadurch zusätzlich zur Verfügung stand, dass sie zuhause aufnahm, hat sie sinnvoll in Background-Vocals, dezente Orgeln und Keyboards sowie sparsam eingesetzte Gitarreneffekte investiert. „Bellefontaine...“ ist das „produzierteste“ aller Favez-Alben, ohne allerdings überladen zu wirken. Die schiere Power des letzten Albums, die konsequenterweise in einem sehr rauhen Sound mündete, wird etwas aufgebrochen und der Pop hat wieder verstärkt Einzug gehalten im musikalischen Schaffen von Favez. Wobei Pop hier relativ ist: Die Band selbst nennt etwa „It’s A Hit“ einen Pop-Song; auf DRS3 wird der Song aber wohl trotzdem „nur“ im Rock Special zu hören sein (was ja eigentlich für seine Qualität spricht!). Bei diesem Song im zweiten Refrain übrigens genau hinhören: Da wird der Band-eigene Humor, den man bis anhin nur auf Konzerten und weniger auf CD zu spüren bekam, erstmals auch musikalisch umgesetzt. Grossartig!
Grossartig übrigens auch (um jetzt wirklich der Reihe nach zu berichten...) der Opener „Emmanuel Hall“. Mit dünner Stimme, wie man sie sonst vom akustischen Debut oder vom Sad Riders-Album kennt, singt Chris in der Strophe über ein verhalten treibendes Bass/Drum-Fundament. Der Refrain, eingeleitet von Guy Borel‘s mit poppig-hübschen Effekten verhangener Gitarre, kommt dafür umso gewaltiger: Mitsing-Rock vom Feinsten, mit Background-Vocals wie man sie anhin bei Favez noch nicht gehört hat.
Spätestens nach den nächsten beiden Tracks „Times Were High“ (einem stampfenden Heavy-Rocker mit ungewöhnlicher Strophe) und „Sloganeering“ (meinem Lieblingssong, der eher wieder Richtung „Gentlemen...“ schielt und in den wunderbaren Instrumentalpassagen die herausragenden Fähigkeiten der Band, allen voran von Drummer Fabrice, betont) ist klar, dass „Bellefontaine Avenue“ den Titel „Album des Jahres“ schon so gut wie auf sicher hat. Song Nr. 4 („The Light Is Coming In“) schielt dann mehr denn je Richtung Emo-Punk, die Gesangsmelodie in der Strophe und der „Uh-Uh“-Refrain bohren sich sofort ins Ohr. „The Killer Show“ ist dann wieder etwas zäher. Nach dem bereits erwähnten „It’s A Hit“ folgt mit „A Better Life“ ein ungestüm nach vorn preschender Emo-Punk-Song, dessen Refrain angenehm an „Everlong“ von den Foo Fighters erinnert: Mein zweiter Lieblingssong des Albums! Erst mit „The System“, einem nur von Akustikgitarre begleiteten Song, der auch auf dem Sad Riders-Album Platz gehabt hätte, wird dem Hörer eine kurze Verschnaufpause gegönnt. Danach gibts mit „Battle Weary Blues“ und „Ole Jose“ (zwei Songs die wohl am nächsten am letzten Album dran sind) und dem High-Speed-Rauschmeisser „Heavy Metal 10“ (mit Punk-Riff und aberwitzigem Metal-Gitarren-Solo) noch mal so richtig was aufs Dach. Nachher ist man erstmal geplättet, aber der Finger gleitet schon wieder ab Richtung Play-Taste...
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Jonathan
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